Samstag, 18. Februar 2012

Hexensalben Teil I

Spricht man heute von Hexensalben, sind damit im allgemeinen die klassischen Flugsalben gemeint, mit denen die Anwenderinnen die Illusion des Fliegens herbeiführten. In früheren Zeiten, als man sich noch in Neumondnächten verstohlen zur Dorfhexe schlich, dürfte wohl jede dort erworbene Salbe für die Käuferin „Hexensalbe“ geheißen haben.

Heute ist allgemein bekannt, dass „Flugsalben“ aus psychoaktiven Substanzen hergestellt wurden, die der Anwenderin, also in diesem Fall der Hexe selbst, nicht nur die Halluzination des Fliegens, sondern auch realistisch anmutender sexueller Orgien erzeugten. Mit einem Wort: die „Hexen“ waren überzeugt, dies tatsächlich erlebt zu haben. Es sind zum Teil detaillierte Beschreibungen überliefert, zum Beispiel vom Spüren des Fahrtwindes oder dem Gefühl, dass Federn aus der Haut wachsen.

Mit der Christianisierung und dem mit ihr einhergehenden Verbot des Kräuterzaubers und überkommener „heidnischer“ Rituale, kurz der Verteufelung der alten schamanischen Religion, muss wohl von Generation zu Generation mehr Wissen verloren gegangen sein. Das Praktizieren wurde schließlich immer gefährlicher, bis es in der wahnhaften, man kann schon sagen gewohnheitsmäßigen, grausamen Hexenjagd der Inquisition mündete.

Praktiken, die aus Angst vor Entdeckung nicht mehr oder kaum noch ausgeübt wurden, gerieten so mehr und mehr in Vergessenheit. Ursprünglich ist den Anwendern psychoaktiver Drogen selbstverständlich bewusst gewesen, dass diese nur Hilfsmittel sind, um beispielsweise (religiöse) Visionen zu erlangen. Irgendwann aber war das Überbleibsel „Flugsalbe“ dann nur noch ein Fluchtmittel aus dem trostlosen Alltag der in beständiger Gefahr lebenden kräuterkundigen Frauen und Männer. Gleichzeitig gab es ihnen ein tröstendes Gefühl der Überlegenheit.

Man darf nicht vergessen: sie waren mit sich und ihrem Wissen allein, mit ihren Gedanken, Erfahrungen und Ängsten. Immer mit einem Fuß auf der Folterbank, konnten sie nicht mehr wie in alter Zeit zu „Sabatten“ zusammenkommen. Über unerhörtes esoterisches Wissen zu verfügen, aber sich mit niemandem austauschen zu können, führt aber beinahe zwangsläufig zur Wunderlichkeit. Wunderlichkeit grenzt aus und macht verdächtig – ein oftmals tödlicher Teufelskreis.

Der Teufelsglaube und die angebliche Möglichkeit, mit dem Bösen Pakte zu schließen, gehörte vor Jahrhunderten sozusagen zum Allgemeinwissen. Psychologisch betrachtet wäre es daher kein Wunder, wenn irgendwann die betreffenden Personen selbst von ihrem Kontakt zu Satan überzeugt waren.

Eine Abschrift aus alter Quelle, die mir vor wenigen Tagen in die Hände fiel, ließ mich mit Erstaunen feststellen, dass nachweislich bereits an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert bekannt war, dass das „Fliegen“ der „Hexen“ auf reiner Einbildung beruht. Nicht genug damit, dass im Volke durchaus gemunkelt wurde, dass die Hexen mit Hilfe von Salben zum Blocksberge (dem Treffpunkt mit ihren Herrn, dem Satan) gelangten: (in Sagen und Märchen wird gelegentlich erwähnt, wie Tiere oder Gegenstände durch das Bestreichen mit einer geheimnisvollen Substanz zu Fluggeräten umfunktioniert wurden), hat es offensichtlich auch vernünftige und realistische Menschen gegeben, die den Gerüchten auf der Grund gingen.

„… ein mecklenburgisches Weib, welches einem Edelmann bekandte, daß sie eine Hexe wäre und allezeit mit den anderen nach dem Blocksberg hinreisete. Der Edelmann aber, welcher der Sachen Gewißheit haben wollte, bat den Prediger des Ortes zu sich nebst andern Gezeugen auch von seinen Dienern und begab sich mit ihnen hin zu dem Weibe in der Nacht da sie wegfahren wollte hin zu dem Hexenfeste. Das Weib nahm damals ihr Hexensalbe und beschmierete sich damit, allein sie fiel darauf in einen tieffen Schlaff und blieb in demselben nicht allein die gantze Nacht über, sondern auch den folgenden Tag durch. Da sie am Morgen darauf erwachete hat sie steiff gesagt, sie wäre abgefahren und hat keine Gegenrede gelten lassen.“

aus: Peter Goldschmidt „Verworffener Hexen- und Zauberer-Advocat“ Hamburg 1705

Im 15. Jahrhundert dagegen war man noch vollauf vom Flug zum Blocksberg überzeugt: „Zu sölichem farn (fahren, gemeint ist fliegen die Autorin) nützen auch man und weib, nemlich die unhulden (Unholde, Hexen), ain salb die hayst unguentum pharelis. Die machen sy uß siben krewtern (Kräutern) und prechen yeglichs krautte an ainem tag, der dann dem selben krautt zugehört. … Daruß machen sy, dann salben mit mischung ettlichs pluotz von vogel (unter Beimischung von Vogelblut), auch schmaltz von tieren; das ich als nit schreib, das yemant darvon sol geergert werden. Wann sy dann wöllen, so bestreichen sy penck (Bänke) oder stül, rechen oder ofengabeln und faren dahin. Das alles ist recht Nigramancia, und vast groß verboten ist (und ist strengstens verboten).“

Johannes Hartlieb : Das puch aller verpoten kunst, ungelaubens und der zaubrey 1456

Quelle: Wikipedia

Noch eine Anmerkung: während unguentum Salböl bedeutet, hat man über „pharelis“ gerätselt. m. E. ist das einfach eine Verballhornung bzw. Latinisierung des Wortes Fahren – meint also svw. Salbe des Fahrens. Dergleichen war wohl gängige Praxis, um zu mystifizieren einen gelehrten Eindruck zu erwecken – belegt beispielsweise bei wandernden „Heilkundigen“und anderen Quacksalbern.

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