Montag, 20. Februar 2012

Hexensalben Teil II

Schon in prähistorischen Zeiten wurden Pflanzen und Pflanzenteile nicht nur zur Ernährung genutzt. Heilkundige und Geisterbeschwörer, möglicherweise vereint in der Person des Clanschamanen, verfügten über ein reichhaltiges Sortiment an Drogen zur Behandlung von Verletzungen und Krankheiten, zur Schmerzlinderung und Betäubung, sowie zum Herbeiführen von Halluzinationen und Rauschzuständen.

Als kümmerliches Überbleibsel jenes enormen Wissensschatzes überlebten u. a. die Flugsalbenrezepte. Sie enthalten als psychoaktive Wirkstoffe verschiedener Nachtschattengewächse, Hanf, Schierling, Schlafmohn, Akonit – zum Teil hochgiftige Substanzen. Pflanzen wurden nach dem Mondkalender gesammelt, was bedeutet, dass eine jede nur an dem ihr zugeordneten Tag gesammelt wurde; was angeblich die Wirksamkeit der Inhaltsstoffe entscheidend beeinflussen soll. Wissenschaftlich belegt dagegen sind die starken Schwankungen der Wirkstoffe je nach Jahreszeit, Witterung, bei einigen Arten auch Tageszeit, sowie dem jeweiligen Standort. Dies ist auch der Grund, warum die Anwendung bzw. das Experimentieren mit Hexensalben zum tödlichen va-banque-Spiel werden kann.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. So schreibt Adam Lonicer in seinem „Kräuterbuch“ bereits 1679 über das Bilsenkraut, das einen Bestandteil jeder Flugsalbe bildet: „Bilsamkraut und Saame ist … einer schädlichen, gifftigen Natur. Macht doll (= tollwütig, verrückt. Der Name Tollkirsche ist ebenfalls auf das „Verrücktmachende“ zurückzuführen – die Verfasserin) und schlaffend, sonderlich (besonders) das gemeine (gewöhnliche) mit dem grauen Saamen, darum man sich dafür (davor) innerlich zu gebrauchen hüten soll.“

Zu beachten wäre außerdem, dass zwischen dem Wirkstoffgehalt der getrockneten Droge und dem frischer Pflanzenteile erhebliche Unterschiede bestehen können.

Im www kursieren Rezepte, auch Berichte von Trips. Vom Nachmachen kann aber nur dringend abgeraten werden – aus den genannten Gründen, aber auch weil eingestellter Content nicht validiert werden kann. Wenn moderne Berichte den mittelalterlichen Protokollen gleichen, ist das ein schwaches Indiz, das nicht vor Fälschungen bewahrt. Auch ein Tripsitter gewährt im Ernstfall nur trügerischen Schutz. Erwähnen möchte ich noch, dass der bekannteste Forscher der Neuzeit auf diesem Gebiet, J.K. Kiesewetter, seinen letzten Selbstversuch nicht überlebte.

Die wenigen überkommenen alten Rezepte sind mitunter nicht zweifelsfrei zu deuten, da die genannten Pflanzen sich botanisch nicht eindeutig identifizieren lassen. Oftmals wurde ein und der selbe Name für völlig verschiedene Pflanzen verwendet. Nicht zu vergessen auch: es handelte sich um Geheimwissen. Wenn die Kräuterkundigen ihre Kenntnisse überhaupt schriftlich festhielten, dann nur für den persönlichen Gebrauch. Zur Verhinderung von „Industriespionage“ mögen gelegentlich absichtlich irreführende Synonyme niedergeschrieben worden sein. In anderen Fällen war vielleicht eine Pflanze und ihre Wirkung der Heilerin bekannt, nicht aber der Name, weshalb sie einen solchen erfand, der niemandem sonst bekannt war. Eine andere Gefahr liegt im modernen Trend, Wirkstoffe isolieren zu wollen. Es ist zuwenig darüber bekannt, wie „unwirksame“ Beimengungen sich auf die Gesamtrezeptur auswirkten, zum Beispiel als Katalysator oder Puffer.


Welches Kraut wann sammeln? http://www.rowane.de/html/hexensalbe.htm

Ungefährliches Salbenrezept http://hexe.org/h-kraut/hexensalben-rezept.htm

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